Daniel Richter An interview by Ulrike Knöfel and Carola Padtberg
Seinen Ruhm verdankt Daniel Richter seiner großformatigen Kunst und seinen Wurzeln in der Hamburger Hausbesetzerszene, die ihn stets unangepasster und authentischer wirken ließen als viele Kollegen. Richter, der vor Kurzem 60 Jahre alt wurde, hielt sich früher mit Kampfsport fit, heute macht er Yoga. Für seine Bilder werden auf Auktionen hohe Summen geboten, oft Hunderttausende Euro, sein 2001 gemaltes Flüchtlingsdrama »Tarifa« erzielte 2020 sogar einen Preis von 1,3 Millionen Euro. Vertreten wird er hauptsächlich von der unter anderem in Salzburg und Paris ansässigen Galerie Thaddaeus Ropac, die ebenso Maler wie Georg Baselitz und Anselm Kiefer unter Vertrag hat. Seit 2006 unterrichtet Richter an der Akademie der bildenden Künste in Wien. 2023 wird er zu den Künstlern gehören, über die man am meisten spricht: Am 2. Februar kommt eine Dokumentation über ihn als »einen der teuersten Maler Deutschlands« in die Kinos, gedreht hat sie der Regisseur Pepe Danquart. Im Mai folgen eine große Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen, die ein Überblick über Richters Bilder und Experimentierfreudigkeit der vergangenen 25 Jahre sein soll, sowie eine Monografie im Hatje Cantz Verlag. In Danquarts filmischem Porträt ist der Wahlberliner übrigens nicht der einzige Star, auch sein früherer Kommilitone Jonathan Meese kommt zu Wort, und im Atelier leisten Richter zwei Papageien Gesellschaft. Die musste der Künstler mittlerweile abgeben, weil sie immer wieder Besucher attackiert haben.
SPIEGEL: Herr Richter, die Dokumentation zeigt einen manchmal beim Kopfstand grübelnden, meistens aber gut gelaunten Maler. Ist der Film ein Geschenk an Sie zum runden Geburtstag?
Richter: Der Regisseur hatte den Geburtstag vielleicht weniger im Sinn, als er mich gefragt hat. Ich schon. Es besteht allerdings das Risiko, dass ich den Film und später die Ausstellung und das Buch sehe und danach nachts wach liegen werde und denke, an meiner Kunst war vielleicht doch einiges fehlerhaft, übertrieben; es war gut gemeint, aber schlecht gemacht.
SPIEGEL: Ihre Kunst wirkt selbstbewusst, Sie selbst wirken auch so. Haben Sie tatsächlich je gehadert?
Richter: Klar. Als Maler bin ich hier eingebettet in eine deutsch-romantische Tradition, und dazu gehört der Zweifel. Ich spüre auch den Druck, mich immer neu zu erfinden, um dem Protestanten oder vielmehr Atheisten in mir Feuer zu geben. Stagnation löst in mir ein Gefühl des Überdrusses aus. Man merkt, man beherrscht etwas sehr gut, und dann kommt bald der Punkt, an dem man das auf gar keinen Fall weitermachen will. (...)