Hanna Putz und Daniel Richter

Bernd Skupin, Vogue Germany, 13 July 2020, Visit external site
© Daniel Richter

Hanna Putz und Daniel Richter im VOGUE Gespräch – die Fortsetzung

Hanna Putz: In den Jahren, die ich als Fotografin arbeite, habe ich gemerkt, dass oft die Fotografien, die schön und gelungen sind, manchmal nach ein paar Wochen sterben. Also wenn man im Atelier immer wieder dieselbe Auswahl von Bildern anschaut, sterben einem diese gewissen Bilder nach einiger Zeit weg. Die können einem nicht standhalten. Und dann gibt’s andere Bilder, die waren vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so schön, oder als Fotografie nicht so reizvoll, aber sie halten Stand, weil sie nicht aufhören, weil man immer noch etwas an ihnen entdeckt, weil sie eigenständiger sind, weil sie sich auch ein bisschen mehr wehren und eben nicht so schön sind.

[Ich habe] gemerkt, dass oft die Fotografien, die schön und gelungen sind, manchmal nach ein paar Wochen sterben. […] Die können einem nicht standhalten. | Hanna Putz

Daniel Richter: Also ist Schönheit in der Fotografie vergänglich?

Hanna Putz: Oft ja.

Daniel Richter: Und deswegen ist das kurzlebige Bild das schöne Bild, und das andere Bild ist eben nicht schön, aber dafür besser. Besser als schön! Es gibt das schöne Bild und es gibt das bessere Bild.

Hanna Putz: Word.

Daniel Richter: Wir haben hier ja in temporär zerschlagenen sozialen Strukturen gelebt, Konditoreien waren dicht… Ich bewege mich ja nur noch in Kuchenesser-Kreisen und gehe nur raus, um zu essen. Das ist eben auch der Weg, der langsame Weg aus dem Nacht, also aus der Bar und dem Nachtclub. Nachtclub und Bar werden dann ersetzt durch Restaurant und Vernissage, irgendwann fällt die Vernissage auch weg, dann gibt’s nur noch die Theaterpremiere und das danach stattfindende Essen mit der Premierenfeier, aber irgendwann bleiben am Ende die Konditorei und das Restaurant. Noch nicht mal mehr Bar. Weil… zu anstrengend.

Hanna Putz: Gut, aber was sagt das jetzt über mich aus als Anfang-Dreißigjährige, wenn ich das auch meistens so empfinde? 

Das ist eben auch […] der langsame Weg aus dem Nacht. […] Nachtclub und Bar werden dann ersetzt durch Restaurant und Vernissage, irgendwann fällt die Vernissage auch weg, dann gibt’s nur noch die Theaterpremiere und das danach stattfindende Essen mit der Premierenfeier, aber irgendwann bleiben am Ende die Konditorei und das Restaurant. | Daniel Richter

Daniel Richter: Du bist früh erwachsen geworden. Du hast dir den falschen Typen gesucht.

Hanna Putz: Nimm mir meinen Typen nicht, ich finde den mehr als richtig. Aber uns ist im Lockdown schon aufgefallen, dass wir wohl noch asozialer sind, als wir annahmen, weil wir keine großen Probleme damit hatten, eigentlich ausschließlich zu unseren Papageien und zu deinem Sohn Kontakt zu haben. Für mich war das außerdem sehr praktisch, denn es ist ja so, dass du vor Mal-Phasen prokrastinierst und in dieser Prokrastinationszeit immer unglaublich viel Hausarbeit erledigst, und jetzt konntest du ja zusätzlich noch nicht mal dreimal am Tag Kuchen essen gehen, das heißt, es wird zu meiner Freude eigentlich durchgängig gesaugt, aufgeräumt, gekocht, geputzt… 

Daniel Richter: Was? Das fällt mir gar nicht auf.

Hanna Putz: Es ist phantastisch. Ich meine, du machst das ja in unserem Haushalt immer schon mehr als ich, aber langsam könntest du eigentlich eine Revolte starten.

Daniel Richter: Warum? Die Arbeit muss gemacht werden. Einer muss die Bettwäsche wechseln.

Hanna Putz: Eben. Na ja, und außer Spaziergängen haben wir in der letzten Zeit eigentlich wirklich wenig von der Stadt mitbekommet. Also wir empfinden die Stadt… na ja…

Daniel Richter: Der Berliner/die Berlinerin ist ja auch ein heikler Menschenschlag.

Hanna Putz: Oh, oh, oh, oh…

Daniel Richter: Wird man nicht schnell warm mit. Berlin ist eine hochinteressante Stadt, in der ich ungerne lebe. Aber ich gehe hier nicht weg.

Hanna Putz: Wir haben ja hier auch unseren Verlag “PAMPAM Publishing” gegründet. Weil wir beide ein großes Faible für Foto- und Kunstbücher haben und wir da autonom einfach selbst unser eigenes Zeug rausbringen wollten und das von Freunden. Das machen wir gemeinsam, aber in die gegenseitige Arbeit reden wir uns ansonsten eigentlich nicht rein. Ich meine, wir kritisieren einander im Denken und im Argumentieren, aber nicht in der Arbeit selbst..  

Daniel Richter: Du kritisierst andauernd, was ich mache!

Hanna Putz: Das stimmt doch gar nicht!

Daniel Richter: Ununterbrochen werde ich kritisiert. Diese Farbe wäre nicht so schön, das Bild…

Hanna Putz: Rot! Daniel, Rot… mehr Rot!

Daniel Richter: …dieses Bild wäre nicht so…

Hanna Putz: Ich habe gesagt, links mehr Rot! Rechts Grün! Schwarz. Schwarz. Schwarz. Rot!

Daniel Richter: Und das Allerschlimmste: Ich selbst stehe verunsichert und skeptisch vor einem Bild, von dem ich denke, das es in die Hose gegangen ist, du kommst rein und sagst: "Das ist ein tolles Bild!“ Schon bin ich total…

Hanna Putz: Ich gehe dann aber auch gleich wieder…

Daniel Richter: Ich muss fairerweise aber sagen, das betrifft nicht nur Hanna, sondern praktisch jeden, der das Atelier betritt, wenn man unsicher ist. Ich hatte den Effekt auch schon, als ich mein erstes Studio als Student hatte, und immer, wenn jemand reinkam, sieht man die Bilder auf einmal mit anderen Augen. Also es ist vollkommen unabhängig davon, ob das jetzt jemand ist, der angeblich wichtig ist oder unwichtig, ob das… keine Ahnung, der Klomann ist oder irgendeine Kuratorin. Jemand betritt den Raum, und in dem Moment sieht man das Fehlerhafte am eigenen Werk. Also mir zumindest geht das so. Das ist aber dann noch irritierender, wenn man das Fehlerhafte sieht, aber die andere Person das ableugnet. Dann wird es total anstrengend!

Hanna Putz: Aber ist die Reaktion nicht auch abhängig von der eigenen Befindlichkeit, in dem Moment? Bei mir macht es schon einen großen Unterschied, ob jemand bei mir im Studio steht, wenn ich gerade eine Dicke-Eier-Phase habe, bzw. eine Dicke-Eierstock-Phase, wo ich das, was ich da gerade mache, wirklich gut finde oder ob ich in einer Phase bin, wo ich alles, was ich fabriziere, gegen die Wand fahren könnte…

Daniel Richter: Das ist bei mir nicht so.

Hanna Putz: …da kann auch jemand reinkommen und sagen: "Das ist ja extrem super!“. Das blättert in solchen Momenten dann an mir ab. Kritik nehme ich mir meistens zu Herzen.

Jemand betritt den Raum, und in dem Moment sieht man das Fehlerhafte am eigenen Werk. | Daniel Richter

Daniel Richter: Ich finde das immer irritierend. Ich finde es interessant, wenn Leute im Arbeitsprozess im Atelier erscheinen, aber eigentlich sehe ich dann immer nur das Fehlerhafte an der Arbeit. Außer ich zwinge mich, das gut zu finden, aber dafür gibt es ja keinen Grund. 

Hanna Putz: Aber ist das unbedingt negativ?

Daniel Richter: Nein, das ist gut. Das ist produktiv. Außerdem ist die Frage, nach welchen Kriterien ich Arbeiten gelungen finde und andere die Arbeiten schlecht finden.

Hanna Putz: Absolut.

Daniel Richter: Es kann ja sein, dass sie die besseren Kriterien haben. Woher soll ich das wissen? Wie gesagt, meine Kriterien sind ja meine Kriterien, die ich irgendwie…

Hanna Putz: Aber das meinte ich ja. Es ist ja nicht so, dass es mich gar nicht tangieren würde, was andere sagen, natürlich tut es das, mich kann man total verunsichern, aber es kommt schon auch darauf an, wie ich drauf bin, wie ich das Gesagte verwerte. Und das ist unterschiedlich. Außerdem stimmt das gar nicht, was du am Anfang gesagt hast. Du lügst! Wenn ich reinkomme und sage…

Daniel Richter: Entschuldige?!

Hanna Putz: …“das ist ein wirklich tolles Bild!", dann sagst du: "Das freut mich!“

Daniel Richter: Ja, aber natürlich sage ich das, damit du schnell wieder rausgehst! Was soll ich denn da sagen?! Außerdem bin ich so sozialisiert, dass ich mit Lob nicht gut umgehen kann.

Hanna Putz: Das stimmt. Wenn man dir sagt: “Das ist toll!“, dann fängst du an, dagegen an zu denken. Und wenn jemand sagt: ”Das ist ein Scheiß-Bild!“, dann eben auch.

Daniel Richter: Nicht, wenn das Bild wirklich – noch – nicht gut ist und ich dann denke: “Okay, ich muss das…”

Hanna Putz: Wirklich?!

Daniel Richter: …ja, das ist eben wirklich nicht gut, die Person hat es aus Versehen berechtigt kritisiert, ich muss dann die Person abwehren, aber gleichzeitig das Bild verbessern. Doch wir wollen hier nicht über mich reden, obwohl: Gute alte Künstler-Regel: Reden Sie mit dem Künstler immer nur über den Künstler! Nichts freut den Künstler mehr, als wenn er schön über sich als den Künstler in der dritten Person reden kann. Und dann ab und zu auch mal ich sagen darf. Dabei bist du doch viel interessanter. Als ich noch Provinz-Ei war, hast du schon in New York, Tokio, London und Paris gelebt. Als ich so alt war wie du, habe ich angefangen zu studieren, nachdem ich ein Leben… heute würde man sagen, im Prekariat verbracht hatte. Ich sehe ja auch den alten Künstler… Ich pflege den alten Eremitentraum des Künstlerdaseins: Alleine in meiner Höhle. Ja, aber das ist halt nur ein Traum, der wird ja offensichtlich nie wahr werden! NIE! NIE! 

Hanna Putz: Nein, NIE! Ich bin ja jetzt da. So kann‘s gehen: Große Liebe, Zack und schon ist er hin, der Traum der ewig funkelnden Einsamkeit in der Malerei…

Daniel Richter: Es ist noch nicht mal ein Leitbild, denn ich handle ja eben nicht danach. Näher als im Atelier kann man dieser Vorstellung aber nicht kommen, finde ich. Im Atelier sein ist tatsächlich und unabhängig vom Ergebnis ja eine eher asoziale Beschäftigung. Also man ist alleine, und man kann machen, was man will. Und niemand darf das kritisieren. Man ist so wie ein Pubertierender – immer wenn die Mutter klopft oder der Vater: “Komm zum Abendbrot! Was machst du eigentlich da drin?” schreit, ruft man zurück: “Hau ab! Das geht dich gar nichts an!“ Ich bin ewig in der Pubertät. Ich kann hier machen, was ich will!: ”Ich lauf in der Unterhose rum und schmiere mich mit Nutella ein, das geht euch gar nichts an!" In keinem anderen Bereich kann man das machen. In keinem anderen Bereich legitimiert man sich, indem man sagt: “Ich will alleine sein.” 

Hanna Putz: Ja, das Praktische ist, dass wir eben zwei Stockwerke haben, wo ich mir dann in meinem Atelier auch in aller Ruhe Nutella in die Unterhose schmieren kann und dann komm ich zu dir und du…

Daniel Richter: Du schmierst dir auch Nutella in die Unterhose?

Hanna Putz: Eigentlich immer.

Daniel Richter: Oh, mein Gott! Ich will dann doch nicht alles wissen über den Menschen, mit dem man zusammenlebt.

PROFILE

Hanna Putz

Fotografin, 1987 geboren in Wien. Nach dem Schulabschluss internationale Tätigkeit als Model in Paris, New York, London. Dann beginnt sie, selbst zu fotografieren, anfangs Mode- und Portraitstrecken für Magazine. Danach folgen internationale Ausstellungen mit künstlerischer Fotografie sowie Lehrtätigkeiten. 2018 gründet sie zusammen mit ihrem Lebnespartner Daniel Richter den Kunstbuchverlag Pampam Publishing. Neben ihrer Tätigkeit als Fotografin studiert sie Politikwissenschaft und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Sie lebt in Berlin und Wien. 

Daniel Richter

Maler, 1962 geboren in Eutin und aufgewachsen in Lütjenburg, geht er nach dem Schulabbruch nach Hamburg und wird Autonomer. Er jobbt und gestaltet Albumcover, Flyer und Plakate, bis er 1992 beginnt, Kunst zu studieren. Stellt erfolgreich Malerei aus. 2005 wird er Professor an der UdK Berlin, schmeißt dort bald hin und nimmt eine Berufung nach Wien an, wo er seit 2006 unterrichtet. Bis 18.07. zeigt die Galerie Ropac in Salzburg unter dem Titel “So Long, Daddy” neue Werke. Besitzt das Plattenlabel Buback, zwei Papageien und ein Legerad. Lebt in Berlin und Wien. 

Hanna Putz, fotografiert von Daniel Richter © Foto: Daniel Richter, VG Bild-Kunst, Bonn 2020

 

 
Daniel Richter, fotografiert von Hanna Putz © Hanna Putz

 

 

© Hanna Putz

Hanna Putz, fotografiert von Daniel Richter © Foto: Daniel Richter; Werk: Ohne Titel 2019, Daniel Richter, VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Daniel Richter, fotografiert von Hanna Putz © Hanna Putz

 

 
Hanna Putz © Daniel Richter
Daniel Richter © Hanna Putz

 

 
Hanna Putz © Hanna Putz
Hanna Putz © Daniel Richter